Neue digitale Heimat für Ruthi’s Kladde

Liebe Leser!

Seit kurzem gibt es für Ruthi’s Kladde ein neues digitales zu Hause. Das findet Ihr hier: www.ruthiskladde.de. Diese Seite hier wird in Zukunft nicht mehr aktiv gepflegt, bleibt aber noch ein paar Monate als Archiv bestehen.

Viel Spaß auf der neuen Seite wünscht Euch

Euer Ruthi

In Zukunft nur noch 27 – Versuch einer Einordnung

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Mit ein paar Tagen Abstand und nachdem sich die ersten Emotionen gelegt haben, lohnt ein etwas nüchternerer Blick auf das Ergebnis von vergangenem Donnerstag: Die Briten wollen also nicht mehr. Das ist ihr gutes Recht. Ob sie bereit sind, die Konsequenzen ihrer Entscheidung zu tragen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Richtig spannend wird es erst, wenn die konkreten Austrittsverhandlungen mit Brüssel beginnen und das wird – schaut man auf das politische Chaos in London – noch eine ganze Weile dauern.

Wirklich spannend an der Brexit-Debatte ist, dass die Befürworter mit vielem, was sie der EU vorwerfen, Recht haben. Natürlich ist die EU eine bürokratiegetriebene Institution – ohne würde es vielleicht auch gar nicht funktionieren. Und natürlich stimmt es, dass sich – nicht nur in Großbritannien – die Menschen nicht mehr wirklich mit dieser Union identifizieren können. Die Briten haben den radikalen Weg gewählt: Austritt statt Reform von innen. Zu lange schien den Wählern auf der Insel die EU schon ein Dorn der vermeintlichen Prosperität.

Das Argument, die Alten hätten GB aus der EU gewählt, kann man so nicht stehen lassen. Auch wenn es stimmt, dass die überwältigende Mehrheit alter Wähler für den Austritt und die meisten der jungen Wähler gegen den Austritt gestimmt haben, war doch die Wahlbeteiligung bei den Alten um ein Vielfaches höher. Die Jungen waren einfach zu faul, oder sie haben – vielleicht auch beeinflusst durch das Stimmungsbild in den sozialen Medien – mir einem sicheren Sieg für «Remain» gerechnet. Am Ende folgte die Ernüchterung.

Die EU darf in den kommenden Verhandlungen nicht den Fehler machen, durch viele Zugeständnisse an die Briten weitere Staaten für einen Austritt zu ermuntern. Frei nach dem Motto: «Die Lasten dürft Ihr Euch ab jetzt alleine teilen, die Annehmlichkeiten behalten wir aber». Auf der anderen Seite haben beide Seiten ein Interesse, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Zu eng werden auch in Zukunft die Verbindungen beider Partner bleiben. Dennoch – und da sollte für die EU die rote Linie allen Taktierens liegen – gibt es die europäischen Grundfreiheiten nur im Paket. Im Klartext: Wer Kapital- und Warenfreiheit möchte, der darf sich der Personenfreizügigkeit nicht verschließen. Das war in der Vergangenheit die Linie der EU und sie sollte auch in Zukunft Bestand haben.

Gelingt das nicht, verwässert die EU nicht nur ihre Stellung gegenüber Drittstaaten, sie wäre auch intern nicht mehr glaubwürdig. Großbritannien auf der anderen Seite kann nun eine Union verlassen, der es nie im Herzen beigetreten ist. Von Beginn an als Zweckbündnis verstanden und von viel Skepsis begleitet, haben sich die Briten nach über vier Jahrzehnten für den Austritt entschlossen. Ob ihnen gelingt, was die Brexit-Befürworter für die Zeit nach einem Austritt versprochen haben, wird sich noch zeigen. Im Moment bekommt man eher das Gefühl, die Verantwortlichen rudern zurück oder sind vom eigenen «Sieg» vollkommen perplex. Sicherlich kein gutes Zeichen um auch in Zukunft partnerschaftlich mit der EU in die Zukunft zu schreiten. In diesem Sinne…

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…und das gilt für beide Seiten!

Versuch einer Einordnung – Die Streikrepublik

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Neuer Monat – neues Glück, möchte man fast denken bei der nächsten Streikankündigung der GDL für diesen Mittwoch 2 Uhr. Glück hoffentlich diesmal den letzten freien Mietwagen oder Sitzplatz im Fernbus zu ergattern. Oder einfach nur das Glück ab Mittwoch nicht mehr Bahn fahren zu müssen – wie lange der Streik nämlich geht, darüber schweigt sich die GDL bisher noch aus. Aber nicht nur die GDL hat in den vergangenen Wochen und Monaten eine neue Streiklust entdeckt, die den deutschen Arbeitnehmern in jüngeren Jahren eher fremd schien. Auch die Postboten, Amazonmitarbeiter, Erzieher und Piloten haben den Arbeitskampf als neue ultimo ratio ausgerufen – Letztere nur gebremst durch das verheerende Unglück in den französischen Alpen.

An der obigen Auflistung zeigt sich aber auch der tieferliegende Kern der Problematik. Die Gruppen und Streikgründe sind mitunter nur sehr schwer zu vergleichen. Am Ende aber geht es fast allen um das Gleiche: Das Streben nach relativer Besserstellung oder zumindest keine relative Schlechterstellung. Relativ ist hierbei das entscheidende Wort. Natürlich, so möchte man meinen, genießt ein Pilot absolut gesehen mehr Privilegien als ein Postbote – warum also streiken?! Relativ gesehen, nämlich auf seine Gruppe bezogen, fürchten die Piloten aber vielleicht eine mögliche Schlechterstellung und ziehen daraus ihre ganz eigene Streiklegitimation. Dass diese am Ende nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung mitgetragen wird – nebensächlich.

Ähnlich verhält es sich auch mit der GDL: Für die Legitimation des Streiks werden ganz eigene Gründe herangezogen. Ob diese nun von einem Großteil der Bevölkerung mitgetragen werden oder nicht, spielt bei den Streikenden keine Rolle. Sollte es aber! Denn wenn die GDL weiterhin so mit dem Vertrauen der Bahnkunden spielt, streiken in einigen Jahren vielleicht nicht mehr die Lokführer für mehr Gehalt, sondern die Fernbusfahrer für zusätzliches Personal um den gestiegenen Bedarf zu decken.

Ohne hierbei falsch verstanden zu werden: Das Streikrecht ist unverrückbar! Das Streikrecht ist eines unserer im Grundgesetz verbrieften Grundrechte – und das ist auch gut so. Artikel 9 GG sagt dazu:

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Allerdings schreibt das Grundgesetz nichts von Verhältnismäßigkeit. Doch dieses meist ganz individuell zu bestimmende Maß ist am Ende zentral: Wo dient ein Streik noch der legitimen Durchsetzung eigener Interessen? Wo ist er nur noch Profilierungsmaßnahme einzelner Kräfte? Wo setzt sich eine Gewerkschaft wirklich für das Wohlergehen seiner Mitglieder ein? Wo geht es nur darum dem Unternehmen Schaden zuzufügen? Diese Fragen zu beantworten. ist sicherlich pauschal nicht möglich. Im Endeffekt muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er einen Streik mittragen kann oder will. In diesem Sinne: Auf weitere Tage leere Gleise und verwaiste Bahnhöfe.

Was denkt Ihr?! Ist der Streik der GDL nach 8 Streikrunden noch gerechtfertigt? Oder muss die Politik hier handeln und dem Treiben sog. Kleingewerkschaften das Handwerk legen? (einfach in den Kommentaren mitdiskutieren)

Versuch einer Einordnung – Je suis Charlie

JeSuisCharlieDer gestrige Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo erschüttert. Er macht betroffen und ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieser terroristische Akt stellt einen fundamentalen Angriff auf eines unserer höchsten Güter – die Freiheit der Presse und die der Meinung – dar. Auch wenn zu den gestrigen Ereignissen schon viel geschrieben wurde, kann man die Anschläge eigentlich nicht in Worte fassen. Zu präzise die Durchführung, zu exakt das Ziel, zu perfide die Vorgehensweise. Wiederum bleiben wir zurück mit der einen Frage nach dem „Warum“. Eine leichte Antwort gibt es nicht – so es denn überhaupt eine gibt. Eines aber sollte uns allen klar sein:

Gewalt produziert immer Gegengewalt! Deshalb muss unser Weg in Zukunft ein anderer sein: Gerade wir in Europa und speziell in Deutschland müssen für ein Mehr an Integration eintreten. Nicht nur lokal im Kleinen, auch global durch das Eintreten für mehr Freiheit und Toleranz . Es ist unser aller Pflicht, sich gerade in solchen Stunden für ein stärkeres Miteinander und Füreinander statt Gegeneinander einzusetzen. Natürlich müssen die Verantwortlichen gefunden und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden. Was aber wenig hilft ist eine weitere Dämonisierung anderer Kulturen und Religionen wie sie z. B. PEGIDA nun sogar mit Blick auf den gestrigen Tag fordert (hier). Ein System der Ausgrenzung und des Gegeneinander haben wir in Europa über Jahrhunderte praktiziert, dasjenige der Integration erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Welches hierbei erfolgreicher war, steht außer Frage.

Auch wenn Anschläge wie der gestrige uns die komplette Imperfektion des integrativen Ansatzes verdeutlichen, so muss die Antwort umso deutlicher lauten: Wir brauchen MEHR und nicht WENIGER Integration. Um es mit den Worten von Jens Stoltenberg, dem damaligen Ministerpräsidenten Norwegens nach den Anschlägen von Oslo und Utøya zu sagen: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Das ist der Kern unserer Gesellschaft und der Kern Europas. Auch und gerade wenn am Montag wieder ewig gestrige durch Dresdens Innenstadt ziehen werden. Das kann und darf nicht unser Weg sein. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten in Europa andere Erfahrungen gemacht. Diese gilt es zu würdigen. Ausruhen dürfen wir uns auf ihnen nicht. Im Gegenteil: nehmen wir diese Zeit zum Anlass für mehr Miteinander, für mehr Integration, statt für mehr Gegeneinander und mehr Ausgrenzung. Nur wenn wir einander verstehen und tolerieren kann friedvolles Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft möglich sein.

FullSizeRenderDas linke Bild habe ich heute Mittag am Platz der Grundrechte, ganz in der Nähe des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, gemacht. Nehmen wir uns alle diesen Gedanken zum Anlass und versuchen in 2015 unser Land und Europa noch lebenswerter zu machen – für alle!

Versuch einer Einordnung – der Ukrainekonflikt

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Der Konflikt in der Ukraine hat in diesem Sommer, angefangen mit dem mutmaßlichen Abschuss des Malaysia Airlines Fluges MH-17, immer neue Eskalationsstufen erreicht. Höhepunkt dieser Eskapaden war das offensive Eindringen russischer Soldaten in ukrainisches Hoheitsgebiet und somit die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch den sogenannten großen Bruderstaat. Die bisher von der EU und den USA auferlegten Sanktionen zeigen nur bedingt Wirkung. Sie haben definitiv einen negativen Einfluss auf die russische Wirtschaft, den Konflikt im Osten der Ukraine haben sie aber nicht geholfen zu befrieden – im Gegenteil. Wie aber soll der Westen, wie soll die internationale Staatengemeinschaft zukünftig mit diesem Konflikt und mit der ehemaligen Weltmacht Russland umgehen?

Um nicht weiteren Seifenblasen eigener Handlungsoptionen durch Putins Aktionen beim platzen zusehen zu müssen, ist es jetzt Aufgabe und dringlichste Notwendigkeit, das erste mal seit den Maidan-Tagen, wieder die Oberhand in diesem Konflikt zu bekommen. Niemand braucht der romantischen Vorstellung erliegen, die Ukraine und ihre ständig wechselnden Führungskader, gefangen im eigenen Kompetenz-Wirrwarr, hätten einen realistischen Masterplan für einen möglichen Exit in der Tasche.

Die Ukraine muss den östlichen Gebieten einen ernsthaften Ausweg aus der Krise bieten. Was passiert, wenn Kiew versucht den Konflikt militärisch zu lösen haben wir in den vergangenen Wochen gesehen: Putin schickt erst blütenweiße LKW um dann, noch bevor der Dunst der Lada-Diesel sich gelegt hat, mit einem eigenen Panzerbataillon vor Lugansk zu stehen. Zuckerbrot und Peitsche quasi. Militärisch wird dieser Konflikt für die Ukraine nicht zu gewinnen sein. Es muss nun ein ernsthaftes Gesprächsangebot auf den Tisch. Die Möglichkeit zu seriösen Verhandlungen mit allen Beteiligten, auch den von Russland unterstützten Separatisten, muss genutzt werden. Verhandlungsmasse muss dabei auch die Möglichkeit eines föderalistischen Bundesstaaten-Konzepts sowie einer Generalamnestie für alle Beteiligten des Konflikts sein. Nur so kann es der Ukraine gelingen diesen Konflikt regional zu befrieden ohne weiterhin Spielball globalpolitischer Machtspiele zu sein.

Für den Westen hätte diese Lösung durchaus charmante Vorzüge. Zum einen wäre ein lästiger Konflikt mit enormen Eskalationspotential am Treppenfuße Europas befriedet, zum Anderen kann sich die westliche Staatengemeinschaft wieder mit mehr Aufmerksamkeit den anderen, nicht minder explosiven, globalen Konfliktherden widmen. Auch bei diesen Auseinandersetzungen ist ein konstruktives Mitwirken Russlands nicht gerade hinderlich. Wie und ob Putin bei einer möglichen föderalistischen Lösung in der Ukraine kooperiert wird sich zeigen. Sicherlich ist ihm bewusst, dass hier Geister hinter den eigenen Grenzen geweckt werden könnten, die man später nicht mehr so einfach los wird – die Befürworter einer Unabhängigkeit von Russland in Tschetschenien und Sibirien werden sicherlich ganz genau hinhören.