Lesenswert! Fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling

Artikel The Economist, Arab Spring

Arabischer Frühling?! Die meisten von uns erinnern sich sicherlich nur noch wenig an die Ereignisse, die sich in diesen Wochen zum fünften Mal jähren, damals aber eine ganze Region erschüttert und auch verändert haben. Grund genug, Zwischenbilanz zu ziehen. Wurden die Hoffnungen der Menschen erfüllt? Hat sich die Situation im Nahen und Mittleren Osten tatsächlich zum Positiven verändert oder ist alles noch viel schlimmer geworden? Was sind die drängendsten Probleme der heutigen Zeit in dieser Region?

Mit seinem in der jüngsten Ausgabe erschienenen Artikel The Arab winter versteht es The Economist, eine umfassende und gleichsam ernüchternde Analyse der heutigen Situation in der Region des Arabischen Frühlings zu ziehen. Erschienen ist der Artikel auch online und hier abrufbar.

Was bleibt also fünf Jahre, nachdem sich der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi in einer verzweifelten Protestaktion gegen die herrschende Kaste um Staatspräsident Ben Ali selbst angezündet hat und damit einen beispiellosen Proteststurm in den Ländern des Mittleren Ostens losgetreten hatDie gute Nachricht: In Tunesien recht viel – nicht umsonst haben die treibenden Kräfte der Demokratisierung letztes Jahr den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Die schlechte Nachricht aber ist, dass die restlichen Länder des Arabischen Frühlings heute meist schlechter dastehen als noch vor fünf Jahren.

Durch eine objektive Analyse, informative Grafiken und einer akribischen Detailarbeit, die es dem Leser ermöglicht, die Situation ganzheitlich zu bewerten, versteht es der Economist, die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre umfassend zu analysieren und nachvollziehbar aufzubereiten. Auch wenn diese Analyse ernüchternd ausfällt, ist der Artikel vor allem eines: wirklich lesenswert!

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Ein kurzer Zwischenruf (vol. 5)

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Das neue Jahr ist noch keine Woche alt und hat doch schon seine erste gesellschaftliche Debatte, die wir uns in dieser Art sicherlich alle lieber erspart hätten. Was in Köln – und auch in anderen Städten – in der Silvesternacht passiert ist, macht betroffen und ist in größtem Maße abscheulich. Wenn mitten in großen deutschen Städten rechtsfreie Räume und Gebiete der Angst entstehen, können wir das als Gesellschaft nicht hinnehmen. Die Täter zu ermitteln und zu verfolgen – auch wenn sich das nach ersten Anzeichen als sehr schwierig darstellt – muss nun oberstes Gebot polizeilicher Arbeit sein.

Doch wie soll es weitergehen? Wie kaum anders erwartet, müssen die schrecklichen Ereignisse jener Nacht nun im Netz als neues Hetzmaterial gegen Flüchtlinge herhalten. Das hilft weder den betroffenen Frauen, noch können dadurch ähnliche Straftaten in Zukunft verhindert werden. Die B.Z. – ihreszeichens nicht gerade als Hort objektiver, journalistisch hochwertiger Berichterstattung bekannt – sah sich für die heutige Ausgabe genötigt, zwei Titelseiten zu drucken: Eine mit den Fakten der Vorkommnisse und eine Version mit den Auswüchsen der Hetze im Internet. Damit werden die Verbrechen nicht relativiert – sie werden zurechtgerückt. Wer jetzt die Vorkommnisse zum Anlass nimmt, neue Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu lancieren, der hilft am Ende den betroffenen Frauen am wenigsten.

Was wir nun aber brauchen, ist nicht mehr Hetze, sondern einen kühlen Kopf. Ja, in Köln ist ein Problem evident geworden, das auch nach den Worten der Polizei, seinesgleichen sucht. Hier gilt es anzusetzen. In unserem Land gehören Täter, egal welcher Herkunft, egal welcher Kultur und egal welcher Religion nach den hier geltenden Gesetzen bestraft. Auch wenn diese Erkenntnis allgemein bekannt sein sollte, machen die Reaktionen im Netz deutlich, dass man sie nicht oft genug betonen kann. Unsägliche Verhaltenstipps – à la ‚immer eine Armlänge Abstand‘ – wie sie nun die Kölner Oberbürgermeisterin Reker empfohlen hat, sind dabei mehr als nur kontraproduktiv. Nicht Frauen müssen ihr Verhalten anpassen, um solche Geschehnisse in Zukunft zu verhindern – alleine die Täter müssen es. Wenn wie in Köln eine ganze Gruppe von Menschen nicht mehr sicher und friedlich feiern kann, dann wird unser Rechtsstaat im Kern berührt. Hier lenken neue Verhaltenstipps oder die aufflammende Hetze vom eigentlichen Problem ab.