Der dauernde Krieg

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In diesen Tagen jähren sich zum ersten Mal die Ereignisse des Euromaidan und die Zuspitzung, welche in einer übereilten Flucht des ehemaligen Präsidenten der Ukraine, Wiktor Janukowytsch, mündete. Gerade einmal vier Wochen später wurde die Krim von Russland annektiert – der weitere Verlauf des Konflikts mit den bis heute anhaltenden Kämpfen im Donbas sind hinlänglich bekannt. Die USA überlassen Europa in diesem Konflikt (noch) die uneingeschränkte Vormachtstellung. Besser muss man vielleicht sagen: Nach anfänglicher offensiver Einflussnahme halten sich die USA (zumindest nach außen) bemerkenswert zurück. Europa allerdings vermag es nicht, als handlungsstarke Regionalmacht mit klaren Zielvorstellungen aufzutreten. Das liegt nicht unbedingt an einer fehlenden Geschlossenheit in den eignenen Reihen – wenn man die Länder der EU genauer analisiert, so ist festzustellen, dass diese durchaus die gleichen Ziele verfolgen und nicht aus der gemeinsam abgestimmten Linie ausscheren. Was vielmehr auffällt ist die lavierende und teils ambivalente Vorgehnsweise gegenüber Russland. Da wird auf der einen Seite gedroht, um im nächsten Augenblick durch ein großzügiges Gesprächsangebot alle Zügel aus der Hand zu geben.

Auch das von Merkel, Hollande, Poroschenko und Putin in Minsk unter der Gastgeberschaft des letzten Diktators von Europa ausgehandelte Abkommen war schon Makulatur, da waren die pompösen Hallen des Aljaksandr Lukaschenka noch nicht wieder auf Hochglanz poliert. Die ukrainischen Panzer und jene der Separatisten rollen in der Ukraine genauso weiter wie in den Monaten zuvor. Mit Hilfe des „großen Bruders“ Russland haben die Separatisten in den vergangenen Monaten beachtliche Landgewinne erzielen können und auch die Einnahme von Debalzewe war so nur eine Frage der Zeit – wen schert da schon ein Abkommen zum Waffenstillstand und zum Abzug der Waffen, das man – wohlgemerkt – noch Tage zuvor selbst unterzeichnet hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nicht die Ukraine, der man in diesem Konflikt sicherlich keinen Friedenspreis verleihen kann, sondern die Separatisten die Aufforderung zur Waffenniederlegung vollkommen ignoriert haben. Nicht die ukrainische Armee ist in den vergangenen Tagen gen Osten vorgerückt, es waren die Separatisten, die ihrerseits Delabzewe in Richtung Westen eingenommen haben.

Russland und Putin haben diesem Treiben ohne erkennbare Deeskalationsbemühungen zugesehen. Dabei ist Russland wohl der einzige „Verbündete“, der veritablen Druck auf die Separatisten und somit auch deren weitere Handlungen aufbauen kann. Solange man aber Putin mehr oder weniger gewähren lässt, fördert man damit auch die weitere Eskalation im Osten der Ukraine. Dieser Konflikt ist sicherlich weder allein militärisch, noch alleine durch die direkt beteiligten Parteien zu lösen. Was es braucht, ist ein Ansatz, der sowohl zur Durchsetzung des im Minsker Abkommen vereinbarten Waffenstillstandes vor Ort wie auch zur Deeskalation der politischen Spannungen führt. Die dauerende Einhaltung des Waffenstillstandes kann nur von einer überparteilichen und vor allem von beiden Seiten anerkannten Institution überwacht werden.

Die UN und ihre Firedenstruppen haben sicherlich nicht jeden Konflikt befrieden können, in dem sie bisher eingesetzt wurden, sie sind aber die beste und vor allem  bald einzige Möglichkeit, die für einen friedlicheren Fortgang noch bleibt. Auf poltischer Ebene darf der Druck auf Putin nicht nachlassen – Waffenlieferungen sind hier aber der falsche Weg. Liefert der Westen jetzt Waffen in die Ukraine, macht er sich genauso angreifbar und stellt sich auf die gleiche Stufe wie das sonst so hart kritisierte Russland. Durch Lieferungen von schwerem Gerät würde man von westlicher Seite nur unötigerweise weiteres Öl ins Feuer gießen – noch sind die diplomatischen und sanktionellen Mittel aber nicht vollens erschöpft. Einen Trumpf – den Ausschluss russischer Banken vom SWIFT-Protkoll – hat der Westen noch. Hierbei handelt es sich um ein internationales System, das den Banken weltweit einen sicheren Kommunikations- und Transaktionsverkehr ermöglicht. Ohne SWIFT können die russischen Banken daher international nicht tätig werden. Schon im Falle des Iran hat der Ausschluss den Weg zu substanziellen Verhandlungen massiv beschleunigt. Ein solcher Schritt soll und muss nun auch in diesem Konflikt ernsthaft diskutiert werden. Kaum eine andere Maßnahme würde Russland so sehr treffen und den wirtschaftlichen Druck nochmals massiv erhöhen.

Europa muss aber auch weiterhin an einem Strang ziehen. Interne Kritik, wie jüngst aus Großbritannien verlautet, ist dabei sicherlich erwünscht. Wenn es aber um das Vertreten gemeinsam gefundener Positionen geht, ist der Schulterschluss Europas unabdingbare Erfolgsvoraussetzung. Nur so wird  Europa von Putin überhaupt noch ernst genommen.